„Alles Gute zum neuen Jahr“, sagte das Kind zu dem alten Mann, der neben der Bäckerei auf der Bank saß. „Und viel Glück.“
Es sagte dies zu jedem, den es heute traf, denn es war Silvester und es wollte höflich sein. Wer höflich ist, erfreut die Menschen, hatte die Großmutter es gelehrt. Und eine Freude bereiten, machte Freude. War es denn nicht schön, ein Jahr damit zu beenden, dass man sich freute?
Das mit der Höflichkeit übte das Kind noch. Dies war nämlich keine einfache Sache und nur wenige Menschen schienen es gelernt zu haben. Oder sie hatten es vergessen. Sehr glücklich sahen sie nämlich nicht aus an diesem Silvestertag. Sie waren auch nicht sehr höflich und es sah aus, als hätten sie ihre Freude vergessen. Oder verloren. Die wenigsten hörten dem Kind zu, noch weniger antworteten ihm.
„Glück?“, fragte nun auch der alte Mann, der auf der Bank saß und fror. Er war der einzige, der antwortete. „Was ist Glück? Und warum soll ich es gerade heute haben?“
„Weil es der letzte Tag in diesem Jahr ist“, antwortete das Kind.
Der Mann nickte. „Das Alte ist zu alt, das Junge noch zu jung“, murmelte er. „Und wir sitzen zwischendrin.“
„Stimmt.“ Das Kind nickte. „So hat das meine Mama heute beim Frühstück auch gesagt. Ich habe es aber nicht verstanden.“
„Es ist ganz einfach.“ Der Alte lächelte nun. „Schließe für einen Moment die Augen und fühle! Wie geht es dir damit? Denke nur an diesen Augenblick! Nicht an gestern, nicht an morgen, nicht an vorhin und nicht an nachher.“
Das Kind überlegte und fühlte. „Ganz gut geht es mir damit“, antwortete es dann. „Nein, gut. Es geht mir in diesem Augenblick gut.“
„Dann wäre dies für diesen Moment so etwas wie Glück?“
Das Kind nickte. „Mit dir reden und über das Glück nachzudenken, fühlt sich gerade sehr gut an.“
Der alte Mann nickte. „Das Glück verbirgt sich oft im Jetzt. Es fühlt sich wenig wohl im Gestern und vom Morgen will es gerade noch nichts wissen.“
Darüber musste das Kind nachdenken. „Und wenn man diesen Moment mit ins neue Jahr nimmt“, sagte es dann, „wird das Glück auch dort zu finden sein. Denn nach jedem Augenblick kommt ein neuer und wieder ein neuer und wieder einer. Ist ganz einfach, Stimmt’s?“
„Stimmt. Das Leben besteht aus Augenblicken, und jeder von ihnen ist anders. Manchmal sehr viel anders, meist ein klitzekleines Bisschen nur. Vergiss das nicht, besonders in Momenten, in denen du dich besonders glücklich oder unglücklich fühlst. Es macht es leichter.“
Das Kind nickte. So hatte es die Sache mit dem Glück noch nicht betrachtet.“
„Es klingt einfach“, sagte es und schloss die Augen, um den Moment zu fühlen. Als es sie wieder öffnete, war der alte Mann verschwunden, als hätte er sich in Luft aufgelöst. Oder als wäre er nie da gewesen.